Heute gibt es wenig Bilder, denn ich zelte etwas abseits, oben im Fjell, ganz wild und frei. Ich kann zwar Daten gut empfangen, aber der Upload dauert ewig und saugt den Akku aus, da das Handy auf voller Leistung funken muss. Nun aber zur Sache.
Gegen Gegenwind kann man also was tun, nämlich planen. Dank der vorzüglichen norwegischen Wetter-App Yr weiß ich, dass der Wind morgens noch mäßig, ab Mittag deutlich stärker wird. Um kurz nach 6 klingelt der Wecker, was nix macht, denn ich bin eh schon seit 6 wach. Und um kurz vor 8 verlasse ich den riesigen Zeltplatz, bei dem jemand mand versucht, jegliche Begrünung mit Kiefern zu realisieren. Sogar ne Hecke. Also los, gemütlich, aber mit hoher Trittfrequenz, um mit kleiner Kraft zügig zu sein. Die Etappe soll ja noch die strapazierten Treter schonen.
Ich fahre zwischen Breheimen und Reinheimen, zwei großen Gebirgsgebieten. Die Berge sind ganz anders als in Jøtunheimen. Nein, eigentlich sticht Jøtunheimen heraus mit den schroffen Zinken und Zähnen. Das hier ist typischer, die riesigen, rundgeschliffenen Berge, die hier das Tal um 1500m überragen. Eigentlich wie die Scottish Highlands, nur in groß. Gut, es fehlen Whisky-Distillerien und Dudelsäcke, stimmt. Norwegen ist dafür deutlich weitläufiger und einfach riesiger, und hat Gletscher, selbst wenn man mal weg von den Fjorden ist.
Der Wind hält sich in Grenzen, der Verkehr auch. Allmählich Gewinne ich an Höhe, fiese Steigungen gibt’s heute aber nicht. So bummeln meine Gedanken ungestört herum, während ich einfach vor mich hintrete.
Ah, das nächste Bild zeigt vielleicht etwas die Weite hier. Schau mal auf ner Karte, wo das etwa ist: etwa 50km westlich von Lom, 10km östlich von Grotli. Und dann schau mal, wo die nächsten Straßen sind. Und dazwischen ist einfach nur gigantisch tolle Landschaft. Irre. Mit dem Auto hab ich das so nie richtig wahrgenommen, denn was sind da schon 50km, das sitzt man eben ab und hört schöne Musik dabei. Und zu Fuß tappst man nur auf nem kleinen Fleckchen herum. Deshalb Fahrrad. Allmählich erschließt sich mir die tatsächliche Weite hier. Ich bin verliebt!
Endlich geht es zum nächsten Höhepunkt der Reise, der alten Bergstraße nach Stryn, eben dem Gamle Strynefjellsvegen. Beim Stöbern auf der Karte nach kleinen Passstraßen bin ich darüber gestolpert, hab Bilder gegoogelt, und dann beschlossen, dass dieser Weg in der Tour nicht fehlen darf. Auf 900hm hab ich mich inzwischen auf der E15 hoch gearbeitet, da biege ich links ab. Kurz darauf ist die Straße unbefestigt, was aber nicht tragisch ist, nur etwas überraschend.
Kurz bin ich aus dem Wind, der schon etwas aufgefrischt hat, aber bald geht es bergauf mit Gegenwind. Okay, das dauert länger heute. Dafür fährt hier bestimmt niemand. Heh, doch jemand. Noch einer? Oha. Scheinbar ist die Strecke bekannt für ihre Schönheit, denn hier wird viel angehalten, ausgestiegen, fotografiert, eingestiegen, weitergefahren. Mit der schweren Beladung muss ich mich konzentrieren, manchmal schiebt es das Vorderrad unerwartet zur Seite. Aber alles geht gut, so eine schwere Karre fällt ja nicht schnell um.
Gut 2 Stunden brauche ich für die 20km, so sehr pfeift es. Aber das macht das Erlebnis irgendwie eindrücklicher. Wenn Gletscherluft heilsam ist, dann bin ich jetzt definitiv komplett gesundet. Dieses raue Land vermisse ich daheim, da gehe ich vor die Tür und hab das Gefühl, ich bin noch drin, als wäre das Wetter kaputt. Hier ist der Unterschied zwischen drin und draußen irgendwie größer.
So freue ich mich auch auf mein Zelt. Solange ich in Bewegung bleibe, geht es, aber sobald ich anhalte, kühlt es mich ratz fatz aus. Heute will ich wild zelten, mit toller Aussicht. Die ganze Zeit schon halte ich Ausschau nach geeigneten Plätzchen und Wasser, das nicht vom Gletscher kommt (da sind zuviele Mineralien drin, das macht Durchfall). Es gibt einige, aber nicht mit toller Aussicht. Heute bin ich wählerisch.
Und gerade geht die Abfahrt los, muss ich scharf bremsen. Diese Perspektive hab ich online gesehen, und wollte sie selbst schöner ablichten. Just hier ist sogar ein feiner Platz, da hat offenbar schon mal jemand gezeltet, und Wasser gibt es auch, sogar ne Bank. Perfekt. Bis ich Fotos gemacht habe und mich entschieden habe, bin ich gut durchgefeoren und am Zittern. Die Daunenjacke rettet mich, so kann ich weitermachen, sonst hätte ich jetzt Schwierigkeiten. Unterkühlt war ich schon 2 mal draußen in der Wildnis, das ist kein Spaß. Bei dem Wind geht das in ein paar Minuten, wenn man verschwitzt Sachen an hat.
Okay, der Platz ist nicht so windgeschützt wie gehofft, und so muss ich eine Zeltleine zunächst an einem großen Stein festbinden, damit mir das gute Hilleberg nicht einfach davon fliegt. Echt jetzt. Mit etwas Mühe kriege ich das Zelt verankert, auf jeden Hering kommt noch ein dicker Stein, damit es sie nicht aus dem losen Untergrund herauswackelt. Nun kann der Wind rütteln, da passiert nix mehr.
Schnell werfe ich alles ins Zelt und mich dazu. In der vielbesungenen Bratröhre lasse ich mich dezent anrösten und vermisse ein Fenster. Schade, denn draußen scheint die Sonne Lichtspiele abzuhalten. Aber die Wolken hängen eh etwas tief, ich hätte gern noch ein Bild mit Gipfeln. Jetzt hab ich ja Zeit und kann warten.
Gelegentlich schaue ich raus, mit dem Teleobjektiv bewaffnet. Sonne und Wolken lassen immer wieder Lichtstrahlen durch das Tal wandern und bescheinen mit großen Spots die Hänge. Nächstes Mal bringe ich ne ordentliche Ausrüstung für Zeitraffer mit. So stehe ich da und staune, gut eingepolstert in lange Unterwäsche, winddichte Sachen und der Daunenjacke, bis ich mich wieder aufwärmen muss.
Für die Nacht ist etwas Regen gemeldet, morgen gegen Mittag wieder Sonne. Mal sehen, was sich morgen noch ergibt. Einige Fotos sind auf jeden Fall toll geworden, ich freu mich drauf, sie daheim in groß zu sehen und zu entscheiden, welches gedruckt an die Wand kommt. Und ich freu mich wieder auf ne frühe Nacht und viel Schlaf.