Tag 11: Nach Norden

Früh um 6 reißt mich der Wecker aus der wohlverdienten Muskelregeneration. Ich fühle kurz in mich hinein, ob ich wirklich die Fähre um 7:10 nehmen will und damit auch 1100hm heite fahren werde, oder mich im heute gar nicht mal allzu warmen Schlafsack einfach umzudrehen und den Sonnentag hier im Lysefjord verbringen sollte. Irgendwie zieht es mich weiter. Zu sehr an diesem Fleckchen verweilen scheint mir gefährlich, als müsse sich hernach der Rest der Reise an diesem Ort messen. Also los. Geht doch. Einmal in Bewegung, fällt es gar nicht mehr schwer. Draußen ist es auch schon hübsch, das lädt ein, und so stehe ich bereits um kurz vor 7 am Kai.

Ganz hinten ist Sonne, hier am Ende des Fjords noch nicht.

Das Licht wechselt ständig, ich muss an mich halten, um nicht die ganze Zeit zu knipsen. Die Fähre ist Teil des ÖPNV und günstig, dafür rauscht der Katamaran mit über 40km/h dahin, vorsorglich habe ich mich warm angezogen. Eigentlich war Sonne angesagt für heute, aber Wolkenbänder hängen zwischen den Wänden.

Da kommt die Abholung angeprecht.
So schöne Stimmung gibt es so schnell sicher nicht wieder.

20 Minuten und 3 Stopps später bin ich in Songesand, jetzt geht es wieder rauf aufs Fjell. Zunächst parallel zum Meer führt die Straße entlang eines Bachs, der sich teils tief in den Fels geschnitten hat. Hier wohnen Menschen. Unglaublicherweise stehen hier Wohnhäuser. Es ist absolut still, rund herum nur Natur, und die Welt ist ein ganzes Stück weg, und doch recht nah. Irre. Nach 250hm bietet sich ein Abstecher an, um mit Blick auf den Fjord zu frühstücken. Der Magen ist noch leer, bis auf ein paar Kekse noch nichts gegessen. Kein Wunder fühlen sich die Beine etwas schwer an.

Der Gipfel hinten ist jenseits des Fjords.
Ich frage in Schriesheim mal an, ob man mit dem Kanzelbach nicht was machen kann. Da ist doch arg viel Luft nach oben.

Jetzt wird es steil, und meine Kniesehne mag das heute gar nicht. Vielleicht wäre ein Pausentag doch gar nicht so verkehrt gewesen. Die Strecke ist schön, und mir begegnen bis oben nur 3 Autos und ein Helikopter, der im Arbeitseinsatz Material quer über den Fjord trägt. Ob der mich nicht flink… ach was, ich schaff das aus eigener Kraft. Bäche kreuzen, Schafe queren, ich keuche, sammle in gelegentlichen Pausen Blaubeeren vom Wegesrand.

Norweger werden die letzten sein, die verdunsten. Irre, wie viel Wasser es hier gibt.
Und wieder bin ich oben in der schönen Landschaft.
So, 2/3 der Höhenmeter sind geschafft. Yay!

Jetzt merke ich es deutlich im Bein, aber auch die Lust ist nicht recht da. Die Oberschenkel brennen noch vor Muskelkater, und ich musste wieder fies auf Kraft fahren. Schön ist es hier, und ich genieße es, über das kleine Plateau entlang der großen Seen zu fahren, bevor eine lange Abfahrt mich hinab führt an die Westküste. Naja, also wo jetzt genau die Westküste hier ist, ist schwer zu sagen. Eigentlich ist das eher ein zig Kilometer breiter Landstrich bestehend aus Inseln und Fjorden. Der Übergang zwischen Meer und Land ist fließend.

Diese Gegend also, nennen wir es Westküste, ist um Stavanger herum dicht besiedelt. Größere Straßen verbinden die recht nah beieinander liegenden Städtchen, es gibt mehr Verkehr, etwas Industrie und einiges an Viehwirtschaft. Nach dem Highlight von gestern ist mir gar nicht so sehr nach Fotografieren zu Mute. Ich setze öfter an, aber es kommt nichts dabei heraus. Naja, die Etappe heute ist eher ne Übergangsfahrt.

Blick zurück. Hinten die hohen Berge, vorne eher flacheres, im Vergleich regelrecht fades Land.
Der letzte lange Anstieg von 350hm macht mir echt zu schaffen. Uffz.

Auf der großen Straße fahren einige Lastwagen, rauschen gewaltig an mir vorbei. Aber sogar die nehmen spürbar Rücksicht – vielmehr als die Deutschen Autos, die doch wieder eng und knapp überholen. Mit einigen Knieschonenden Stopps bin ich endlich oben und rolle lange und genussvoll bis nach Hjelmeland hinab. Direkt hinter dem Fährkai ist ein Zeltplatz mitten in der Stadt. Naja, also, eigentlich ist es eine Gjestgiveri mit großem Garten. Ist wohl ein eher uriger Zeltplatz, dessen gute Rezensionen sich hier niemand recht erklären kann. Da werde ich keine 2 Nächte bleiben, morgen muss ich weiter. Zumindest ein bisschen. 20km und 300hm trennen mich von Jøsenfjorden, so weit muss ich es schaffen. Ich hab ja nen ganzen Tag Zeit.

Zelt steht, und ich steige spontan auf Motorrad um. Zack bumm, so schnell geht das.

Mit einer jungen Familie im WoMo bin ich am Quatschen, darf mein Handy und Garmin bei ihnen aufladen. Wir sitzen gerade gemütlich, da radelt ein Reiseradler daher. Den kenn ich doch… Thomas, dicht gefolgt von Tina trudeln ein! Wir hatten zwar damit gerechnet, dass wir uns womöglich wiedersehen könnten, aber gleich am nächsten Tag? Die 2 waren heute früh auf dem Preikestolen und haben außer Nebel nicht viel gesehen. Offenbar hatte sich ein Wolkenband an dem kantigen Felsvorsprung verheddert. Sonnentage sind hier offenbar auch was anderes als daheim.

Dann das übliche: Futter im Supermarkt jagen, in der merkwürdigen Küche zubereiten, mampfen, quatschen, Fahrt morgen planen… oh oh viel zu spät, will doch noch Blog schreiben… Naja, dann muss ich ein paar Details heute auslassen. Das Erlebnis gestern ist eh nicht zu toppen, da gibt es jetzt ne kleine Durststrecke.