Tag 13: Fahrzeugwechsel?

Kein Bild von Strava, keine Tour, nicht mal ein Spaziergang. Heute bewege ich mich nicht. Trotzdem stehe ich um 7 auf, denn der Tag ist schön, und ich will die Morgenstunden und Lichtspiele im Fjord nicht verpassen. Ich verbringe viel Zeit mit Recherche. Doof, eigentlich wollte ich nicht so sehr am Handy hängen, aber es gibt 3 Themen: Knieschmerzen, Fotoakku, Lenkerschlackern. Ja, voll beladen schlackert der Lenker während der Fahrt, teils schon direkt beim Anfahren. Trotzdem ist es stabil, und oft wird es gerade beim zügigen Fahren besser, jedenfalls nie schlimmer. Aber eins nach dem anderen.

Morgenstimmung, Blick nach Südost. Müsli leer, und hier gibt es keines zu kaufen. Dann halt Brotsurrogat.

Um den Fotoklubb Odda zu kontaktieren, müsste ich mir den Facebook Messenger installieren – das geht ja mal gar nicht! Wie ich was zur Postfiliale bestellen kann, finde ich partout nicht heraus. Also doch jemanden zufällig finden, der ein passendes Ladegerät dabei hat? Doof, dass Nikon da mal wieder was Eigenes erfunden hat. Schön wäre ja, wenn die Kamerahersteller sich einigen könnten. Oder wenigstens alle Nikon Kameras den gleichen Akku hätten. Dann hätte ich ne faire Chance, jemanden zu finden. Aber so wäre es ein Glücksspiel, und das mag ich nicht. Ich rufe den Vermieter an und bitte um Hilfe beim Bestellen. Zusammen finden wir nen Elektronikmarkt in Odda, da komme ich demnächst eh vorbei. Die Reservierung gilt eigentlich nur für einen Tag, aber ich schreibe flink ne nette Mail hin und habe binnen Minuten Antwort. Das Teil wird auf mich warten. Yeah!

Mit dem Vermieter unterhalte ich mich noch ein bisschen. Er scheint Ende 30 zu sein, ist Landwirt und hat 30 Kühe und 80 Schafe, letztere haben alle je 2 Lämmer. Herbst und Weihnachten ist hier wohl die Zeit für Lammfleisch. Eigentlich war er Ingenieur für Ventiltechnik auf Offshore Ölförderplattformen, aber die Familie seiner Frau hatte diesen Hof hier, und so wurde er Landwirt. Jetzt ist er viel draußen und genießt es, nicht mehr so viel vor dem Rechner zu sitzen. Seine Frau ist Lehrerin, sie haben 3 Kids und jede Menge zu tun. Trotzdem fragt er mich nach etlichen Details meiner Reise, ist echt interessiert. Später kommt er noch bei meiner Hytta vorbei und studiert mein Rad, fragt nach den ganzen technischen Details. Feiner Typ!

Nicht viel später, 2 Frühstück.

So, das Knieproblem. Es scheint das ITBS, oder auch Läuferknie zu sein. Symptomatik und Lokalisierung stimmen. Ursachen gibt es dafür beim Radeln hunderte! Von Verspannungen im Rücken über verschieden lange Beine, schräge Haltung, zu hoher Sattel, zu niedriger Sattel, zu weiche Schuhsohlen, verkürzte Muskeln… Auweia. Für vieles bräuchte ich nen Sportmediziner oder Orthopäden, oder ein Bike Fitting. Aber ich kann mich von der Seite auf Video aufnehmen und mir das anschauen, und mit den Faustregeln der Sitzposition abgleichen.

Gesagt, getan, und schon wandert der Sattel nach vorne und unten. Die gereizte Sehne muss sich trotzdem noch erholen, die Hytta ist noch einen Tag frei, und so werde ich wohl morgen nochmal hier bleiben. Und ich werde jetzt regelmäßig bestimmte Muskeln dehnen. Dann bin ich hoffentlich so weit erholt, dass ich noch 4 Wochen radeln kann, ohne dass es alle 2 Tage zur Quälerei wird. Den Berg hoch quälen ist okay, solange nur die Muskeln schreien ist alles gut. Aber diese Schmerzen zeigen an, dass da was am Kaputtgehen ist. Nee nee.

Da liegen ja Boote vor der Tür. Und gehört da nicht auch eines zur Hütte? Hmm… Das Gepäck passt da gut rein, sogar das Rad müsste nicht hier bleiben. Oder ich tausche Rad gegen Boot?

Aber bevor der Tag entspannt weiter gehen kann, will ich verstehen, warum mein Lenker so schlackert, das ganze Rad schlingert. Nicht nur nervt das, sondern es belastet sicher das Material, und im dümmsten Fall wird es auch gefährlich. Tatsächlich gibt’s auch hierfür etliche mögliche Ursachen.

Ich dachte immer, es käme von der schweren Kamera in der Lenkertasche. Aber vermutlich ist es die Gepäckrolle hinten, die recht hoch liegt, schwer ist, und einfach nicht wirklich fixiert ist. Das heißt, das gesamte Gepäck hinten wabbelt, obwohl alles gut verzurrt ist. Das schaukelt sich dann auf.

Aber ich habe ne Idee, wie ich das beheben kann. Bisher hatte ich das Zelt nur unter die Gepäckrolle geklemmt. Das Zelt werde ich mit nem Zurrgurt fixieren, und hoffe, dass damit alles stabiler wird. Ich hab noch ein paar Gurte dabei, und sogar einen auf der Straße gefunden und mitgenommen. Das scheint also auch lösbar. Juhuu!

Hmm, ein Tretboot ist das aber nicht.

Ja, ein Boot gehört zur Hytta, und der Vermieter macht mich schnell mit der Handhabung vertraut. Gut, dass ich letztes Jahr schon ein bisschen Boot gefahren bin. Das hier ist aber kleiner, und gerade ist es windig. Ich warte auf schönes Abendlicht und die damit einhergehende Flaute. Dann geht’s aber los.

Wusch! Das Örtchen ist Jøsenfjorden
Da führt keine Straße hin. Ganz hinten sind Häuser, vermutlich für Arbeiter des Wasserkraftwerks.

Ich fahre den Fjord ganz nach hinten, das sind gut 7km. Die Wände und Felsen sind überraschend abwechslungsreich. Und gewaltig. Dabei ist das jetzt kein bekannter Superfjord, zu dem alle hin rennen, sondern halt einfach einer von vielen. Ich verfalle ins Knipsen, muss mich bremsen, sonst muss ich auch noch ne Speicherkarte in Odda kaufen.

Einmal sehe ich nen großen Vogel. Zu groß für nen Kolkraben, fliegt nicht wie ne Möwe, aber ein Adler ist es auch nicht. Verflixt, weg ist er. Später fliegt er nochmal, und jetzt macht sich mein jahrelanges Training bezahlt: schneller Griff zur Kamera, flink alles eingestellt, anvisiert, fokussiert, abgedrückt. Ha! Im Kasten, der Vogel. Also, das Bild, versteht sich. Zum Bestimmen genügt es. Und was ist es? Wer hat es erraten? Ein Graureiher. Tadaaa. Naja, keine aufregende Sichtung, die haben wir ja auch daheim zur Genüge, aber ein Moment Spannung und Nervenkitzel. Und schön sind Reiher allemal.

Krass, die Wände. Und irre, wo sich überall was Grünes festkrallt.
Kein Wohnhaus. Glaube ich. Aber wofür hier ne Hütte steht, erschließt sich mir nicht. Auf jeden Fall ein schönes Motiv.

Zwei Stunden bin ich unterwegs. Wenn ich in der Mitte fahre, merke ich kaum, dass ich voran komme. Näher am Ufer wird klarer, dass die Nussschale doch ganz flott sein kann. Etwas haarig ist es schon, alleine zu steuern, Objektive zu wechseln, und Fotos zu machen, denn die Wellen schieben mich ganz schön herum. Aber es geht gut, macht auch Laune. Nur laut ist es, und der Zweitakter stinkt.

Ich wechsle doch nicht das Verkehrszeug, bleibe beim Strampeln, auch wenn ich mit nem Boot schön alle Fjorde abfahren könnte. Aber mit einem Seekayak will ich das jetzt auf jeden Fall mal machen. Die Stille wird vom Motor so gnadenlos zerrissen, es tut mir richtig leid. Sorry liebe Schweinswale, Fische, Möwen.

Und jetzt hab ich es doch getan, zum Zeitvertreib Benzin verbrannt – das verurteile ich ja als nicht mehr zeitgemäß. Deshalb würde ich auch nicht mehr zum Spaß Motorrad fahren, wie ich es früher tat. Doch wollte ich das Bootfahren hier einmal probieren, und weiß jetzt, warum ich das geräuscharme Fortbewegen aus eigener Kraft auch auf dem Wasser gern will.

Und in Odda kauf ich noch ne Bluetooth Tastatur. Mir brechen gleich die Daumen ab. Gute Nacht!