Tag 9: die Fjell-Probe

Früh geht es los. Naja, also, bis alles gepackt ist, vergeht doch Zeit. In so ner Hütte verteilt sich das ganze Zeug aus den Taschen unheimlich schnell in alle Ecken. Wir wollen zusammen fahren, so wie es mit dem Tempo passt. Und wir wollen früh los, da nachmittags oben im Fjell nieseliger Dauerregen vorhergesagt ist. Hmja. Erstmal rollt es sich ganz gemütlich das Setesdal hinab. Sonntags früh schlafen auch Norweger offenbar länger, denn es ist kaum Verkehr, und wir genießen die Felskulisse in der Morgensonne.

Aber wer ins Fjell will, muss auch hoch. Ohweh. Was dieses Fjell denn nun sei, fragen mich die beiden. Heiße das nun „Berg“ oder „Gebirge“ oder was? Hm, so richtig übersetzen lässt es sich nicht, und vergleichen auch nicht recht. Nun, wir werden es erleben. Aber zunächst lerne ich die Lektion, dass die Wahl der Gangschaltung für Norwegen definitiv eher 3×10 sein sollte. Ich habe vorn nur 2 Kettenblätter und wünsche mir einen leichteren ersten Gang. Aber gut, wird schon. Durch ein Skigebiet mit über 50km präparierten Loipen (im Winter natürlich, nicht jetzt), in dem alle Häuser durch Grasdächer gut getarnt und unaufdringlich sich in die noch eher waldiger Landschaft fügen. Aber der Wald wechselt bald auf niedrige, knorrige Moorbirken. Offenbar sinkt die Baumgrenze zur Küste hin deutlich.

Oh, das kenn ich doch schon. Wird wohl nicht das letzte Mal sein. Hmja, wird das Essen wieder besonders lecker werden heute.
Schmale Straße, Bach, Wald, Wolken. Erstaunlich viele Autos hier unterwegs. Und ich glaube, ich rieche die Autos immer mehr!
Alleine hätte ich das nicht hinbekommen
Da beschlägt die Linse. Verfloxt. Naturfilter ersetzt Instagram-Filter.
Jeder hat mir davon abgeraten, nen Seitenständer zu montieren. Bisher funktioniert er bestens.

Und endlich, nach 800hm, haben wir es geschafft und sind oben in der kargen Landschaft mit diesen ganz eigenen Grüntönen, vielen Bächlein und Seen, und jeder Menge Fels. E ist nicht bergig, aber alles andere als flach. Eher wild zerfurcht voll flacher Stückchen und senkrechter Felswände. Gletscher haben dies wohl geformt, auf Satellitenbildern sieht man vielerorts schön die Schleifrichtung der Eiszungen. Wenn man mittendrin steht, erkennt man das gar nicht, nur geübte Geographenaugen können hier die Landschaftsgeschichte gut lesen. Die Flora wirkt wie ein Garten, kunstvoll und wunderhübsch sind die Arten arrangiert, immer wieder fließt ein kleiner Bach. Die Farben dieser Landschaft sind schön, und auch Thomas und Tina sind hin und weg, und finden das Fjell unvergleichlich. Ja, das ist das Fjell.

Blick zurück. Yay, fast oben. Bis auf 1050m haben wir uns raufgestrampelt.
Überall laufen Schafe rum. Die Autofahrer bremsen bei uns mehr als bei den Schafen. Puh.
Irre auch die vielen Findling jeglicher Größe

Wir haben Gegenwind, und hier oben merkt man es deutlich. Am höchsten Punkt auf 1050m sind wir nassgeschwitzt und dem Wind ausgesetzt. Da zieht ein Regen heran und wir beeilen uns, die Regenklamotten überzuwerfen: Jacke, Hose, Schuhüberzieher. Bibbernd fahren wir bergab, bald wieder auf und ab und auf… flach gibt es nur kurz und eher selten. Gegessen haben wir nichts, und ich merke, wie ein Loch da ist, wo mein Bauch sein sollte. Die Beine sind leer, die Kraft ist weg, der Wind nervt, die 7°C fühlen sich eisig an. Das Fjell testet uns. Gestern noch hat Thomas die Karte studiert, wo man wild Zelten könnte, heute schaut er grübelnd und überlegt, wo ein Zelt gut stehen könnte. Entwender ist es steil oder nass oder steinig, oder dem Wind ausgesetzt. Gemütlich sieht das alles nicht aus, und so kommt schnell die Gemütlichkeit einer Hütte ins Gespräch. Aber erstmal nach Suleskard kommen und dann schauen wie Wetter und Beine aussehen. Und endlich kommt es in Sicht, die letzte Steigung für heute ist geschafft, jetzt rollen wir grinsend hinab. Und ratz fatz haben wir Süßteilchen und Kaffee in den kalten Pfoten 🙂

Yeah, Abfahrt!
Endlich wieder Süßteilchen und Kaffee, diesmal Zimtbøller

Schnell ist klar, wir nehmen ne Hütte nach 1100hm und nee groben Planung für morgen passt das einfach am besten. Wie wir mit Nass und Schwitzen und Kälte und Wind am besten umgehen, und dann noch wild Zelten, das müssen wir wohl noch lernen. Ich werde es probieren, das ist sicher. Beim Wandern weiß ich gut, wie das geht, aber Radeln ist anders. Ich schwitze mehr, und einen Zeltplatz abseits der Straße zu finden erfordert viel Suchen. Dafür kriegen wir ne urgemütliche Hütte mit Dusche und Backofen. Ich hab sogar mein eigenes Zimmer.

Diesmal mit Grasdach 🙂
Super gemütlich und prima ausgestattet. Im Bad hängen 20 Haken, im Eingang ne Wäscheleine, so können alle Sachen trocknen.

Frisch geduscht können wir im kleinen, super sortierten Markt einkaufen. Da der Laden bald schließt, und ich dank Norwegisch mit der Verkäuferin vorher schon ins Gespräch gekommen war, bietet sie uns nun die übrigen Gebäcke als Geschenk an, bevor sie in den Müll wandern. So bekommen wir nochmals 6 riesige Zimtbøller und beginnen bald mit dem Gelage, allem voran frische Pizza! Okay, ja, vorgebackene Böden haben wir gekauft, aber die sind prima und wir bald satt.

Omnomnom

Bald trennen sich unsere Wege wieder. Zwar haben wir uns erst vorgestern getroffen, aber es kommt uns schon wie ne Ewigkeit vor, die wir zusammen unterwegs sind. Ich bin gespannt darauf, wie es ist, wieder alleine unterwegs zu sein. Ich freue mich auch drauf, so gut das hier gerade auch tut. Aber morgen müssen wir wieder früh raus, also jetzt schnell schlafen. Ist eh schon viel zu spät. Philosophische, reflektierende Gedanken kommen wohl eher wieder, wenn ich Zeit für mich habe. Aber im Moment geht es mir echt gut, die Tage sind schön und erfüllt, und ich kann es voll genießen.