Also dieser Zeltplatz war… Seltsam. Sanitäranlagen für Herren drängen sich auf 6m², mit 2 Waschbecken, 2 Toiletten, eine Dusche. In letzterer gibt es genau einen Haken, um Sachen aufzuhängen, der aber den Haken hat, dass das daran Aufgehängte nass wird sobald man duscht. Also wirft man seine Sachen auf eines der beiden Waschbecken und hofft aufs Beste. Für die Damen sieht es nicht besser aus. Und so ist hier alles, das Ganze Ding ist ein einziges zusammengepuzzeltes Vorgartencamping, das nur existiert, weil es weit und breit keinen ordentlichen Campingplatz gibt. Der eigentliche Besitzer ist ebenso in die Jahre gekommen wie das… ähm… Anwesen, und hat den Betrieb an einen jungen Polen abgegeben, der weder Norwegisch spricht, noch jemals im Leben Zelten war. Das alles ist ja schön erheiternd, aber nicht erholsam. Also muss ich heute weiter.
Ich hab keine Lust, nur für Tee den Kocher aufzubauen, also gibt es Müsli mit Kaltgetränk. Immerhin ist es nicht so nass vom Tau heute, und ich kann zügig Zelt und Zeug zusammenpacken. Thomas flickt seinen platten Reifen, weil es so Spaß macht, gleich 2 mal. Damit kommen die beiden später los, aber heute bin ich extra langsam, die holen mich sicher noch ein. Die junge Familie von gestern ist schwuppsdiwupps weg. Bei WoMos sieht man im Gegensatz zu Zeltern nie, wie weit der Aufbruch schon ist. Aber wir schreiben uns.
Also los jetzt, 200m zum Fährkai, ich reihe mich mit den Autos ein. Die Fähre hier ist Teil der Straße, gleich 2 Schiffe pendeln den ganzen Tag lang hin und her. Sie sehen auch aus wie ein Stück 5-spurige Straße, die halt schwimmt. Man kann sogar einfach durchgucken. Und für unmotorisierte ist die 3km lange Überfahrt sogar kostenlos.
Es nieselt, ist leicht windig, ich hab schon die Regenjacke an, und tüddel ganz gemütlich die ersten 30hm rauf. Am Ufer entlang sollte es ja flach sein, möchte man meinen. Naja, vielleicht gilt das hier als hinreichend flach, wenn keine Steigung höher als 100hm ist. Ein halber Branich, was ist das schon. Dafür wechselt die Aussicht öfter, das hat was für sich. Auch die Felsen und Tunnels sind hübsch und machen die kurzen Fahrt sehr abwechslungsreich.
Unterwegs sehe ich eine Lachsfarm. Esst keinen Lachs. Ehrlich. Fast aller Lachs, den es in Deutschland zu kaufen gibt, kommt aus hiesigen Lachsfarmen. Letztes Jahr hatte ich Gelegenheit, mit einem Arbeiter einer solchen Lachsfarm zu sprechen, der dort filetiert. Ich erspare euch hier die Details, darüber gibt es Dokus. Zusammenfassend: das wollt ihr nicht essen. Auch wenn „Wildlachs“ drauf steht, kommt es von so einer Farm. Holt lieber was vom Forellenteich um die Ecke.
Einmal sehe ich was im Wasser, halte an und schaue genauer. Schweinswale! Alle 10 Sekunden taucht einer auf und atmet, nur 100m von mir weg! Ich kann sie laut schnaufen hören. Minutenlang stehe ich da und schaue zu. Zählen ist nicht möglich, ich sehe immer nur einen, höchstens zwei. Habe keine Ahnung, wie oft ein Schweinswal atmet, bevor er wieder länger taucht. Der Fjord ist hier bis 640m tief und 2-3 km breit, die Berge rechts und links 700m hoch. Irre.
Die letzte Abfahrt rolle ich genüsslich hinab, direkt bis zu den Østerhus Fjordhytter, wo ich mein Glück versuche. Tatsächlich bekomme ich ein für mich alleine viel zu großes Haus, Alternativen gibt es aber nicht, das hab ich gestern gründlich recherchiert, und mein Knie lässt mich heute nicht mehr über den Berg kommen. Pause muss jetzt sein. Ein Traum ist schon erfüllt, alles Weitere ist Kür, und endlich höre ich auf, mich zu hetzen. Ich verordne mir einen Tag Couch und bezahle gleich 2 Nächte.
Just auf dem Weg vom Vermieter zur Hütte treffe ich Thomas und Tina beim Supermarkt. Schon wieder 🙂 Jetzt würde es sich ja anbieten, das große Haus gemeinsam zu nutzen, aber die beiden treibt es weiter, sie wollen über den Berg und gen Norden. Ja, die sind halt 10 Jahre jünger da geht das noch mit weniger Pausen. Nee, im Ernst, die beiden sind irre fit und reißen echt was! Ich könnte da nicht mithalten. Muss ich ja auch nicht, und so trennen sich unsere Wege doch gleich wieder. Sie werden dann sicher vor mir in Odda sein, aber vielleicht treffen wir uns in Flåm wieder, wohin die beiden den Rallarvegen entlang von Haugastøl aus Radeln wollen, und ich mit der Fähre von Gudvangen hinkommen will. Mal sehen, ob es passt, wäre echt witzig. Dann müssten wir wieder nen Tag zusammen verbringen und uns erzählen, was wir inzwischen alles erlebt haben.
Ich gehe shoppen: Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Tomatemmatsch, diesmal sogar ne Zwiebel! Ein Festmahl wird das. Zuerst telefoniere ich noch mit daheim, das tut gut. Zu zweit hier sein hätte auch was, wäre noch schöner. So mampfe ich alleine, studiere das Touri-Material für die Umgebung und recherchiere, wie ich hier an ein Nikon Akkuladegerät komme. Ich könnte es zur Post in Odda bestellen und dort abholen. Oder nen lokalen Fotoclub anschreiben, ob sie mir aushelfen. Oder auf dem nächsten großen Campingplatz überall herumfragen, irgendwer könnte sowas ja dabei haben. Ein Akku ist schon fast leer. Hier im Blog sind ja nur die lausigen Handybilder, die echten Fotos gibt es erst in ein paar Monaten, wenn ich daheim bin und sie in Lightroom entwickelt habe. Warum hab ich die 100g gespart, die das Ladegerät wiegt? Grmpf. Dachte echt, 2 Akkus würden genügen. Aber wenn jetzt schon einer fast leer ist, langt das nie.
So ist das: kaum hab ich Ruhe, gibt es die nächsten Sorgen. Und Pläne und Ideen und Lösungen. Aber morgen will ich wirklich wenig Zeit am Bildschirm zubringen, lieber draußen sitzen, ne kleine Runde spazieren, viel essen und lesen. Für heute ist genug. Morgen kann ich vielleicht darüber sinnieren, warum Norweger so überaus erpicht darauf sind, ihren Rasen zu pflegen. Das fällt echt auf, und ich hab da Theorien…